Um die 150 Menschen aus unserer Stadt haben die gemeinsame Informationsveranstaltung des Gemeinderates und des Landratsamtes am vergangenen Dienstag besucht. Das Katholische Gemeindehaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Trotz des dicht gefüllten Saales und des emotionalen Themas wurde eine gute demokratische Diskussionskultur gepflegt. Jeder konnte unbefangen das sagen oder fragen, was ihn bewegt und seitens des Bürgermeisters und des Sozialdezernenten wurde ausführlich und konkret geantwortet.

 

 

Zum Einstieg informierten Sozialdezernent Bernd Mager und Bürgermeister Jörg Kaltenbach über die aktuelle und absehbare Zuweisungs- und Unterbringungssituation von geflüchteten Menschen im Landkreis und was dies konkret für unsere Stadt bedeutet. Der erste Bürgermeisterstellvertreter Rainer Langeneck stellte stellvertretend für die Bürgerliste aber auch für den gesamten Gemeinderat dar, wie intensiv sich das Gremium im vergangenen halben Jahr mit dem Für- und Wider einer möglichen Gemeinschaftsunterkunft befasst hat. Die Bürgerliste hat diese Veranstaltung angeregt, um möglichst breit die Bevölkerung zu informieren und in den Meinungsbildungsprozess mit einfließen zu lassen.

 

Während der gut zweistündigen Veranstaltung herrschte eine große Aufmerksamkeit. Viele der Besucherinnen und Besucher waren offenkundig gekommen, um sich aus erster Hand umfassend zu informieren. So wie es Rainer Langeneck in seinem Eingangsstatement gesagt hatte, konnte jeder, der wollte, offen seine Meinung sagen und auch kritische Fragen stellen. Diese bezogen sich etwa zur Hälfte auf die Versäumnisse der Bundesregierung und der Europäischen Union in der Migrationspolitik. Hier herrschte eine große Einigkeit im Plenum. Immer wieder fiel der Satz von Seiten der Referenten oder seitens der Bürgerschaft: „so darf es nicht weitergehen“.

 

Die weiteren Wortmeldungen bezogen sich auf Erfahrungen in Bezug auf die 2016 eingerichtete und 2021 abgebaute Gemeinschaftsunterkunft „Am Lippach“. Hier kamen deutlich unterschiedliche Auffassungen zu Tage. Bürgermeister Kaltenbach zeigte großes Verständnis, dass direkt betroffene Nachbarn aus der großen persönlichen Betroffenheit heraus Vorgänge anders wahrnehmen oder beurteilen als ein außenstehender Betrachter. Sowohl Bernd Mager als auch Bürgermeister Kaltenbach blieben bei ihrer Einschätzung, dass die Situation innerhalb der Gemeinschaftsunterkunft und in dessen direktem Umfeld, dank der intensiven Betreuung, guten Gewissens als geordnet bezeichnet werden darf.  Gefragt wurde auch, ob in Bezug auf Kriminalität Auffälligkeiten festgestellt worden sind. Dies war nicht der Fall und kann jederzeit in den Statistiken des örtlichen Polizeiposten überprüft werden. Natürlich war nicht alles Gold, was glänzt und es gab auch einzelnen schlechte Erfahrungen in Bezug auf das Thema Sauberkeit und Ordnung. Auch persönliche Enttäuschungen im Umgang mit den geflüchteten Menschen blieben weder dem Helferkreis noch der Stadtverwaltung erspart. Dies gehört zu einem ehrlichen Rückblick mit dazu.

 

Besonders eindrücklich waren die Ausführungen von Bernd Mager in Bezug auf die seit September stark steigenden Zuweisungszahlen in unseren Landkreis. Bis zum Jahresende werden rund 800 geflüchtete Menschen seitens des Landratsamtes unterzubringen sein. Eine Herkulesaufgabe. Das oberste Ziel des Landkreises ist und bleibt es, dass weder die Kreissporthalle noch Hallen in den Kreisgemeinden für die Unterbringung genutzt bzw. beschlagnahmt werden müssen.

 

Vor diesem Hintergrund hat Landrat Stefan Bär eine sehr klare Haltung eingenommen: Kommunen, welche sich der Solidarität innerhalb des Landkreises nicht oder nicht im notwendigen Umfang verpflichtet fühlen, bekommen entsprechend ihrer Aufnahmeverpflichtung die entsprechende Anzahl an Menschen zugeteilt. Bürgermeister Jörg Kaltenbach erklärte, dass er diese Haltung ausdrücklich begrüße. Damit werde eine zentrale Forderung seitens des Gemeinderates erfüllt, wonach alle Kommunen innerhalb des Landkreises ihrer Aufnahmeverpflichtung nachkommen müssen. Zudem machte der Schultes deutlich, dass die Stadt Mühlheim nicht mehr, wie in den vergangenen Jahren, deutlich mehr Menschen als notwendig aufnehmen werde. Dies ist die klare Haltung des Gemeinderates. Alles andere wäre gegenüber der Bevölkerung auch nicht mehr vermittelbar.

 

Ausführlich erläutert und seitens der Bevölkerung mit Fragen zum noch besseren Verständnis unterlegt, war die Frage, was denn eine Gemeinschaftsunterkunft mit 50 Plätzen bzw. deren Ablehnung für die Stadt bedeuten würde. Sozialdezernent Bernd Mager erläuterte hierzu aktuelle Entwicklungen aus anderen Kommunen. So hat sich die Gemeinde Neuhausen bereit erklärt kurzfristig weitere Gemeinschaftsunterkunftsplätze im Gewerbepark anzubieten. Mindestens 350 Menschen werden dort leben. Ohne diese Bereitschaft hätte die Kreissporthalle für 150 geflüchtete Menschen kurzfristig belegt werden müssen. Auch Emmingen-Liptingen hat erst dieser Tage erklärt ein Grundstück für eine Gemeinschaftsunterkunft mit 50 Plätzen bereitzustellen. Bernd Mager kündigte auch an, dass in Fridingen eine solche Unterkunft ebenfalls kommen wird. In Spaichingen wird eine Gemeinschaftsunterkunft mit 100 Plätzen bekommen. Gemeinschaftsunterkünfte werden mit Geldern des Landes durch den Landkreis gebaut. Auch die Unterhaltung des Gebäudes und die Betreuung der dort lebenden Menschen ist Aufgabe des Landkreises.

 

Bürgermeister Jörg Kaltenbach machte mehrfach deutlich, dass er ein großer Befürworter für eine Gemeinschaftsunterkunft ist. Durch diese könnten in gleicher Anzahl Verpflichtungen der Stadt Mühlheim im Rahmen der so genannten Anschlussunterbringung abgebaut werden. Folglich würde sich die Anzahl der in unserer Stadt unterzubringenden Menschen durch eine Gemeinschaftsunterkunft nicht erhöhen. Den Wohnraum für diese Anschlussunterbringung muss wiederum die Stadt selbst bereitstellen. Auch die Betreuung der dort lebenden Menschen ist alleinige Aufgabe der Stadt. Aktuell hat die Stadt Mühlheim eine Unterbringungsverpflichtung in Höhe von 79 Menschen.

„Des Weiteren sollte allen bewusst sein, dass die meisten Unterkünfte, in denen die uns zugewiesenen Flüchtlinge aktuell untergebracht wurden, lediglich angemietet sind und nicht dauerhaft zur Verfügung stehen. Deshalb werden wir auf Sicht der kommenden 12 bis spätestens 24 Monate ohne eine Gemeinschaftsunterkunft unser Soll an aufzunehmenden Menschen innerhalb der Landkreisverteilung nicht mehr erfüllen können. Wir müssten dann für Geld, dass wir nicht übrig haben und dringend für andere Zwecke einsetzen sollten, Häuser kaufen und an geflüchtete Menschen vermieten oder öffentliche Gebäude wie Sporthalle oder Versammlungsräume als Dauerwohnraum bereitstellen, um unsere Pflicht zu erfüllen. Dies will niemand. Vielen Kommunen bleibt nichts anderes übrig. Wir haben eine andere Option, in dem wir uns für die Gemeinschaftsunterkunft entscheiden“, so Bürgermeister Kaltenbach. Es entstünden zudem der Stadt auch keine direkten oder indirekten Kosten durch eine Gemeinschaftsunterkunft, da der Bedarf für eine Erweiterung der Lippachtalschule im Betreuungsbereich sowie des Kindergartens St. Maria durch die eigene, erfreuliche Bevölkerungsentwicklung begründet sei.

 

Zum Abschluss der Veranstaltung ergriffen die Gemeinderäte Reiner Milkau und Uwe Keller das Wort und machten nochmals deutlich, wie intensiv der Rat in dieser Frage mit sich ringen würde, um zum einen die aus Sicht der Stadt richtige Entscheidung in dieser schwierigen und emotional aufgeladenen Gemengelage zu treffen und zum anderen, um ein möglichst hohes Maß an Akzeptanz für diese Entscheidung in der Bevölkerung zu erhalten. Alle Bürgerinnen und Bürger, welche an der Versammlung teilgenommen haben, verfügen über denselben Informationsstand wie der Gemeinderat. Auch dies war ein zentrales Anliegen seitens des Gemeinderates und der Stadtverwaltung.